09/2004 – 10/2005

Prof. Dr. Mathias Schwabe / Studenten des Studienschwerpunktes „Evaluation in der Jugendhilfe“

Veröffentlichung
Den vollständigen Abschlussbericht finden sie hier.

Auftraggeber
Pro Max e. V. und das  Jugendamt Tempelhof-Schöneberg

Aufgabe
Das Konzept „Bude ohne Betreuung“ existiert bereits seit 1997 mit vier Plätzen; 2002 kam ein zweites Haus dazu, die Platzzahl hat sich auf acht  erhöht. BOB versteht sich als Angebot für Jugendliche ab 14 Jahren, die sich weder an Regeln und Grenzen, noch an Absprachen halten können/wollen, und deshalb in anderen Jugendhilfeangeboten gescheitert sind. BOB versteht sich als niedrigschwelliges Jugendhilfeangebot, das im Rahmen einer Übergangshilfe dazu beitragen will, dass die Jugendlichen eine existenzielle Absicherung erfahren, eine eigene Zukunftsperspektive entwickeln und hilfeplanfähiger werden. BOB wurde bis  November 2005 von 50 Jugendlichen durchlaufen.

Vorgehen/Methode
Im Rahmen des dreisemestrigen Studienschwerpunkts „Evaluation in der Jugendhilfe“ wurde das Konzept BOB hinsichtlich seiner Ziele und Settingelemente analysiert. Insgesamt sechs Studenten haben im Seminarverlauf die Technik des „problemzentrierten Interviews“ eingeübt und zehn Jugendliche zu ihren Lernerfahrungen während ihrer Zeit bei BOB befragt. Die Jugendlichen waren bereits seit ungefähr einem Jahr bei BOB ausgeschieden und in Anschlusshilfen vermittelt worden, so dass sie aus einem gewissen Abstand auf ihre Entwicklung blicken konnten. Parallel wurden von den momentanen und während der BOB-Zeit zuständigen Jugendamtsmitarbeitern bzw. Betreuern Fragebögen ausgefüllt und deren Ergebnisse mit den Einschätzungen der Jugendlichen abgeglichen. Die Zahl der interviewten Jugendlichen entsprach im Januar 2005 ca. 20 % aller bei BOB abgeschlossenen Hilfen. Die transkribierten Interviews und die jeweiligen Fragebögen wurden Fall für Fall im Seminar diskutiert und im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede systematisch untersucht. Die Studenten verfassten einen Reader mit den Evaluationsergebnissen und stellten diesen dem Träger und dem Jugendamt vor.

Ausgewählte Ergebnisse
Die Jugendlichen waren während ihrer Zeit bei BOB zwischen 15 und 17 Jahre alt. Sie wurden zwischen sechs und 14 Monaten bei BOB betreut. Sechs sind männlich, vier weiblich, was dem Geschlechterverhältnis der Betreuten bei BOB genau entspricht.

  • Kein Jugendlicher ist während seiner Zeit bei BOB entlassen worden oder hat seine Wohnung verloren, auch wenn die Jugendlichen zum Teil extremes Verhalten an den Tag gelegt und Sachbeschädigungen in beträchtlicher Höhe verursacht haben. BOB erwies sich bei allen Jugendlichen als das quasi „unzerstörbare“ Setting als das es gesucht wurde.
  • Die Entwicklung einer etwas geklärteren eigenen Perspektive ist bei sieben von zehn Jugendlichen gelungen. Bei zwei Jugendlichen ist die Erreichung dieses Ziels wenig bzw. kaum gelungen. Bei einem Jugendlichen liegen hierzu widersprüchliche Aussagen vor.
  • Den bei BOB untergebrachten Jugendlichen die Erfahrung von positiven und negativen, selbst zu verantwortenden Konsequenzen eines weitgehend selbst bestimmten Lebens zu ermöglichen, ist in sechs von zehn Fällen gelungen.
  • Bei sechs Jugendlichen ist eine deutliche Verbesserung der Hilfeplanfähigkeit zu verzeichnen. Bei vier Jugendlichen ist diese Verbesserung fraglich.
  • Die von BOB gebotene existenzielle Absicherung war bei fünf Jugendlichen von hoher Bedeutung; bei fünf anderen blieb die Bedeutung gering, da sie sich entweder kaum in den BOB-Räumen aufhielten oder sich andere materielle bzw. finanzielle Ressourcen erschlossen hatten.
  • Die letzten zwei Jahre überblickend, kann sechs Jugendlichen während und nach ihrer Zeit bei BOB eine überwiegend positive Entwicklung bescheinigt werden, zwei Jugendlichen eine in Ansätzen positive Entwicklung, bei gleichzeitig fortbestehenden Problemen. Bei zwei Jugendlichen muss man von einer desolaten Entwicklung trotz BOBBetreuung sprechen. Auch wenn die folgende Einschätzung aufgrund der kleinen Fallzahlen mit Vorsicht zu betrachten ist, kann man beim derzeitigen Kenntnisstand formulieren: Verglichen mit der Entwicklung anderer Jugendlicher in Settings mit Zwangselementen kann die Zielerreichungsquote von BOB mit Blick auf das besondere Klientel als durchaus hoch eingeschätzt werden.
  • Obwohl für die regelmäßigen, wöchentlichen Besuche der Jugendlichen im Jugendamt ein Zwangskontext hergestellt wurde (ohne pünktliches Erscheinen keine Geldanweisung), wurden die Gespräche mit den Jugendamtsvertretern von beinahe allen Jugendlichen als hoch bedeutsam eingeschätzt.
  • Das Risiko von Sachbeschädigung und/oder Körperverletzung und/oder Drogenkonsum bzw. -handel, das die BOB-Jugendlichen für ihre Umwelt darstellen, aber auch die Gewalt-Risiken, denen die BOB-Jugendlichen von Seiten ihrer Umwelt ausgesetzt sind, muss bei der Hälfte der Jugendlichen als hoch bzw. sehr hoch eingeschätzt werden. Die Betreuung bei BOB verlangt vom Jugendamt und den Betreuern ein immer wieder neu zu reflektierendes gemeinsames Tragen von Verantwortung. In Einzelfällen sollte die BOB-Betreuung durch zusätzliche flexible, d.h. aufsuchende bzw. nachgehende Betreuungsformen ergänzt werden.